Wenn Drachen schreien...

 

Wir haben nie behauptet stets fehlerfreie Ware zu verkaufen.

Angesichts einer überwältigenden Mehrheit an Stammkunden würde eine solche Behauptung auch sogleich als lächerlich erkannt werden. Ein Kunde der Steinofen-Backstube weiß womit er es zu tun hat, und er hat dabei alte, allgemein längst vergessene Qualitätskriterien für Brot intuitiv wieder zum Leben erweckt. "Zeigen Sie mir das Brot doch mal von unten." Mit Fehlern am Hollener Brot muß man leben und tut es auch. Spätestens wenn auch die Drehung des letzten Brotes nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat. Eben weil es häufig nicht nur gewünscht sondern auch geliebt wird. Liebe erfüllt selten alle Erwartungen. Geforscht wird bei der ganzen Brotedreherei nach den Spuren des größten Problems im Umgang mit einem, direkt in der Backkammer mit Holz beheizten Steinbackofen.

Er wird auch mal am Boden zu heiß!.....

    Dieses Backofenprinzip ist so alt wie Backöfen überhaupt sind. Vermutlich aus der Zeit der Drachen und inspiriert von ihnen, beseelt gar. Nichts jedenfalls an anderen Backöfen ist lebendiger als das Holzfeuer in diesen steinernen Mäulern. Nichts erinnert szenarisch mehr an die Kämpfe der Ritter mit den Drachen, als das Heizen eines solchen Ofens. Vielleicht garte sich ein siegreicher Held einst ein Stück Drachenfilet im Maul seines Opfers. In einem mit Holz beheizten Steinbackofen kann man alles trefflich zubereiten, nicht nur Brot. Holz als Brennstoff ist nicht unbedingt erforderlich, ebenso nicht die horizontale Ausrichtung der Steinkuppel, wie in unseren Gefilden üblich.

    Ein afghanischer Kunde fühlte sich beim Anblick unseres Ofens lebhaft an seine Heimat erinnert. Deren Kuppel war, immer vorausgesetzt ich habe alles richtig verstanden, senkrecht und kreisrund in die Erde gemauert und wurde mit getrocknetem Kameldung beheizt. "Feuer tot ist, Steine heiß, wie Schnee, kannst du backen Das entspricht dem gleichen Prinzip wie bei unseren Öfen. Röhren erzeugen, schon von allein, einen Luftsog der durch die Temperatur des Feuers noch verstärkt wird, so das Brandtemperaturen von 900°C entstehen, vorausgesetzt die Flammen können eine Länge von über 1,5m erreichen. Diese hohe Temperatur überträgt sich auf die Steine, wird gespeichert bis sie so heiß sind, daß der anhaftende Ruß abbrennt und sie weiß werden. Man erkennt daran, daß die richtige Backtemperatur erreicht ist. Diese Symbiose von offenem Feuer und Stein, zwei von vier Urelementen, erzeugt eine spezifische Form von Backhitze, einen hohen Anteil an Strahlung, die schnell und tief ins Backgut eindringt und dabei immer eine ausgeprägte, aromatische Kruste erzeugt. Das durch die damit verbundene schnelle Backzeit deutlich weniger Vitamine und Nährwerte zerstört werden, zudem mit Getreide das Hauptnahrungsmittel zubereitet wird, belegt deutlich die herausragende Bedeutung von Brot und im Besonderen aus diesem Ofen.

    In Afghanistan wurden dann, wenn die Steine weiß und das Feuer zu weißer Asche heruntergebrannt war, die Brote, Fladen vermutlich, an die Wand geschleudert, blieben kleben und fielen erst herunter wenn sie gar waren. Muß ein weicher Teig gewesen sein, ich wollte es schon immer mal ausprobieren.

    Zurück zur Wirklichkeit der Hollener Öfen. Friedlich ist in Beziehung zu Feuer aus diesen steinernen Drachenmäulem ein relativer Begriff. Wenn sie nach Händen und Kopf des Heizers mit ihren Flammenzungen lecken, Ofenbesen in Flammen aufgehen lassen, Glutschieber verbiegen und die Schlagschieber schwärzen, oder ein Stückchen Glut in die Schlappen des Heizers spucken, ihn einen Indianertanz mit zwei ungebackenen Brotlaiben in der Hand auf einem Bein aufführen lassen: "Uhah Uhah Uhh ..."; dann ist das alles hübsch inszeniert, farbenprächtig, dynamisch, lustig anzusehen und auch gemeint. Feuer ist nun einmal Feuer und zur Erreichung dieser einen Qualität, an die man nun mal glaubt, unumgänglich. Man kommt sich allerdings manchmal vor wie der Drachenkämpfer, wenn man mit langen Lanzen in den Flammen wühlt, verletzt, rußschwarz, schweißnaß und abgekämpft am Ende.

Nur noch die Jungfrau im weißen Kleid erwartend, in deren Schoß man sinkt, damit sie Verbrennungen mit Tau betupfen kann, so um halb Fünf am Morgen. Aller Schweiß und Schmerz des Heizers wäre gar nicht der Rede wert, gingen die Drachen nicht genauso achtlos mit den Broten oder Brötchen um, die sie bevorzugt gerne in solchen Momenten von unten schwärzen.

    "Zeig mal das Brot von unten", statt der holden Maid, der Meister oder die Marktfahrer, wenn sie die Ware kontrollieren kommen. Der Fachausdruck lautet Unterhitzschaden, es gibt verschiedene Grade, von hart am Feind bis Oh Gott Oh Gott Dabei sind die Bodenplatten des Ofens schon Spezialsteine, die nicht soviel Unterhitze aufnehmen, aus einem besonders leichtem Lehm gemacht, der nur in Radeberg bei Dresden vorkommt. Vor 20 Jahren mußten wir noch 25,- DM pro Stein bezahlen, heute ist fraglich ob dieses Element der Backhistorie noch lange der Ostsanierung standhält. Wir haben uns vorsorglich genügend in Reserve gelegt. Den mit ihrer Weichheit verbundenen Abnutzungsgrad, durch das Feuer und den Glutschieber, die Reinigung der Backfläche oder den Wurf des Holzes, kann man übrigens am Boden der Brote ablesen, an der Topographie der Berge und Täler und der Ausprägung des Fugenbildes. Ein Satz Radeberger hält im Durchschnitt in Hollen 5 Jahre.

    Die Unterhitze ist aber nur die normale Problematik bei Ofenstörrigkeiten. Das Extrem ist totale Vernichtung in Minuten. Auf dem Markt heißt es dann:"tut mir leid, diese Sorte gibt es heut nicht und der Rest ist auch ziemlich dunkel." Dieses absolute Extrem trägt auch die Bezeichnung "Trever brennt!", denn wir hatten mal einen Engländer als Heizer, auch wenn die Aussage nur ein gelungener Aprilscherz war. Er selber erzählt aber heute noch:" ..there was buming a fire round about me", denn heiß ging es stets her, mit ihm an den Streichhölzern, Auch wenn er nicht brennen muß, ein Heizer wird an solchen Tagen gescheucht. Er weiß was ihm bevor steht wenn er das Feuer der ersten Öfen schreien hört, er versucht zu retten was zu retten ist, backt mit offener Tür, schichtet Glut um, zieht früh, und dergleichen mehr und ist am Ende am Boden zerstört, harrt nur noch der Kritik, die da kommen wird. Dabei sind es manchmal wirklich Unerklärbarkeiten, Drachenlaunen eben, die zu solchen Ergebnissen führen. Besonders gefährlich sind auch Futterumstellungen, wenn also statt der ausgesägten, armdicken Weißdornäste plötzlich gesägte Buche als "Dickes" im "ersten Ofen" geheizt wird. Die Menge des Holzes welches gegeben werden muß, ist eben auch abhängig von der Holzart und wird mit Erfahrung ermittelt. Diese Erfahrung sagt eindeutig, Buche brennt verdammt heiß. Erfahrungen sind nun mal nicht leicht mitzuteilen, an andere Leute, die auch mal Holz in den Ofen stapeln, zum Vortrocknen für die beiden ersten Öfen der Nacht. Wenn der Meister am Donnerstag den Schaden vom Mittwoch schon nicht richtig zu deuten wußte, und wieder zuviel gegeben hat, wie soll der Tourfahrer am Freitag es denn besser machen? Die Folgen einer solchen Konstellation nennt man eine schwarze Serie. Möge sie nie wieder eintreten auch wenn sie Beweis authentischer Arbeit ist.

    Zwei Holzsorten sind erwähnt und vom kulinarischem Standpunkt aus sind noch drei weitere möglich, die Eiche, die Birke und die Obsthölzer. Das ist natürlich immer auch eine Frage der Verfügbarkeit, Kameldung würde ich persönlich als aromatisch erwarten, sozusagen alla speziale mit ganz individuellem Akzent. Die unterschiedlichen Akzente der von uns verwendeten Hölzer aufs Brot sind deutlich benennbar. Eiche erzeugt eine leicht rissige Kruste, rötlich braun, die tief eindringt. Buche, deutlich dunkler immer schwarzbraun, bei glatter, nicht so tiefer Kruste mit röstigen Aromen. Weißdorn schließlich krustet tief splitterig und backt immer hell.